CIN-DIALOGUE 2017: Primate Science Fiction

Interdisziplinäre Podiumsdiskussion zwischen
Prof. Dr. Julia Fischer (Cognitive Ethology, Göttingen) und Prof. Julika Griem (England und Amerikastudien, Frankfurt), Moderation: Jessica Staschen, Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Hamburg

Die Primatenforscherin Prof. Dr. Julia Fischer (Abteilung Kognitive Ethologie am deutschen Primatenzentrum Göttingen) wird eine Metaperspektive auf ihr Fach vorstellen. Welche Konzepte liegen den unterschiedlichen Verfahren zugrunde, mit denen die kognitiven Fähigkeiten der Primaten erforscht werden? Die Experimente im Labor orientieren sich oft an der Entwicklungspsychologie von Menschenkindern. Sie konfrontieren die Tiere mit für sie neuen Problemen und geben dadurch Aufschluß über ihre Fähigkeit zur Problemlösung. Die Feldforschung folgt dagegen einem ethologisch/ökologischen Ansatz und fragt, wie die Tiere die Probleme lösen, die sich ihnen in ihrer natürlichen Umwelt stellen (das Finden von Nahrung, Partnern, Flucht vor Feinden). Beide Vorgehensweisen stehen oft unvermittelt nebeneinander. Für die Experimentalforscher sind die Parameter der Feldforschung zu wenig kontrollierbar, für die Feldforscher erscheinen die Laborexperimente geradezu als anthropozentrisch gedacht. Wie läßt sich ein fruchtbarer Austausch beider Perspektiven herstellen?

Die Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Julika Griem (Institut für England- und Amerikastudien, Universität Frankfurt) untersucht, wie, warum und auf welche Weise die evolutionäre Verwandtschaft zwischen Menschen und Affen Anlaß gibt zu kulturellen Projektionen. Affen dienen in unterschiedlichen historischen Wissens- und Forschungskonstellationen als prominente anthropologische Sparringspartner des Menschen. Sie werden dabei oft zu wirkungsvoll inszenierbaren „ambassador animals“: Was leisten in solchen Vermittlungssituationen verschiedene ikonisch einzusetzende Tiere - warum greifen wir, wenn es um das Verständnis komplexer ökologischer Zusammenhänge geht, so gern auf Affen, Eisbären, Delphine, Pandas und Pinguine zurück? Was haben diese z.B. der Hyäne voraus? Und gibt es solche Hierarchien der medialen Wirkung auch innerhalb der Familie der Primaten?

Auch die Entwicklung der Verhaltensforschung und Primatologie selbst ist kulturell signifikant. Welche Paradigmenwechsel haben hier wann und warum stattgefunden? Welche Rolle haben Forscherinnen gespielt, und das nicht nur für die Popularisierung dieser Forschung? Wie gehen wir mit den Aporien um, in die wir geraten, wenn wir die anthropozentrische Perspektive auf die Primaten aufbrechen wollen? Wann und wie sprechen wir Menschen als, für, und immer wieder nur über Tiere?

Auf diese Weise führen Methodenprobleme der Biologie und Perspektiven der Kulturwissenschaft auf die gemeinsame Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Tier.

Bild: Nicoló Boldrini nach einer Parodie von Tizian

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