Im Netz – Die große Entmündigung?

PHILOSOPHISCHES CAFÉ mit Harald Welzer

"Das Selbst ist allein wie nie zuvor in der Moderne. Es weiß, dass ihm niemand helfen wird, wenn es nicht funktioniert, was seine Abhängigkeit von digitalen Beziehungsprothesen im Netz erhöht."

Wächst unmerklich inmitten der Demokratie eine Diktatur? Kennt uns das Netz bald besser als wir uns selbst? Macht uns ein "Hyperkonsum", der schmeichelt und ständig bestätigt, dumm und alternativlos? Knüpfen wir fröhlich mit an einem Netz, in dem wir unsere Freiheit verlieren? Der Sozialpsychologe Harald Welzer erinnert in seinem neuen Buch "Die smarte Diktatur - Der Angriff auf die Freiheit" (S. Fischer) daran, dass Freiheit kein passiver Zustand ist. Auch keine bloße Wahlfreiheit. Freiheit ist eine Tätigkeit. In die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts haben sich mehr Menschen willig begeben als Widerstand geleistet. Ihnen wurde versprochen, sie von der Verantwortung für das eigene Leben und von Entscheidungen zu entlasten.

Etwas Ähnliches, fürchtet Welzer, ist im Gange. Geht es uns wie dem Frosch, der sich im immer wärmer werdenden Wasser wohlfühlt, bis er völlig erschlafft abgekocht wird? Unmerklich nämlich verschieben sich die "shifting baselines" und kaum jemand kommt auf die Idee zu springen. Oder doch? Was hieße es heute zu springen? Zuschauen jedenfalls, so Welzer, ist keine Haltung. Harald Welzer ist Gründer von "Futurzwei - Stiftung für Zukunftsfähigkeit". Er ist Professor an der Universität Flensburg und lehrt auch in St. Gallen.

Gastgeber: Reinhard Kahl

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