Foto: Grit Schwerdtfeger

Paradoxien der Meditation

Über Weisheit und Wissenschaft, säkulare Ethik und Fiktion

Festvortrag von Prof. Dr. Gert Scobel auf dem Kongress "Meditation und Wissenschaft" 2018 - Interdisziplinärer Kongress zur Meditations- und Bewußtseinsforschung.

Dank der Unterstützung durch die Udo Keller Stiftung Forum Humanum können Sie diesen Vortrag hier in voller Länge ansehen und unter dem folgenden Link in verschiedenen Formaten herunterladen.

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Zunächst werde ich – auf Bitten der Organisatoren des Kongresses – versuchen, Verbindungen und gemeinsame Tendenzen in den Vorträgen der beiden Tage ausfindig zu machen. Ob eine solche Zusammenschau angesichts der Vielfalt und Fülle gelingt – eine Prüfung der Achtsamkeit! Anschließend will ich auf einige Paradoxien aufmerksam machen, die gegenwärtig mit dem Thema Achtsamkeit verbunden sind. Beispielsweise sind die unterschiedlichen Wirkungen von Übungen, die auf Achtsamkeitstechniken beruhen, beeindruckend, vielfältig und inzwischen durch tausende von klinischen Untersuchungen bestätigt und in Veröffentlichungen dokumentiert worden. Ein „flächendeckender“ Einsatz von Achtsamkeitstechniken etwa in Schule, Beruf und Unternehmen ist demnach durchaus sinnvoll und in den nächsten Jahren zu erwarten. Beispielsweise könnte ein „Grundkurs Achtsamkeitstraining“ in Schulen durchaus dazu beitragen, nachhaltig einige der grundlegenden, mit Achtsamkeit verbundenen kulturellen Fähigkeiten in der Bevölkerung zu verankern. Vergessen wird dabei jedoch zunehmend, dass sich der Achtsamkeitsboom im wesentlichen einer Vielzahl von über 2500 Jahre alten, fernöstlichen Traditionen verdankt, die in den letzten 30 Jahren zunächst „entkernt“ und dann modifiziert wurden, um in die medizinischen, aber auch weltanschaulichen Systeme des Westens eingepasst und in von Ökonomie und Digitalisierung geprägten Alltagswelten verwendet zu werden. Dabei geriet zum einen der Unterschied zwischen Achtsamkeit und Meditation in Vergessenheit. Zum anderen führte die neurowissenschaftliche Fixierung zu einer weitgehenden Verdrängung der ursprünglich mit der Übung verbundenen ethischen und sozialen Aspekte. Eines von vielen Paradoxen ist daher der Einsatz von Achtsamkeitsbasierten Techniken in Unternehmen, Konzernen, Industrie und Militär. Achtsamkeit ist in Gefahr, als Mittel zum Zweck rein strategischen und ökonomischen Zielen zu dienen. Die Zunahme von Internetbasierten Anwendungen und Apps unterstützt dabei eine Konsumhaltung, die „Achtsamkeit light“ und „McMindfulness“ favorisiert. Die Frage ist, ob professionelle Anbieter von Achtsamkeit nicht zunehmend in Widerspruch geraten müssen zu einem flächendeckenden Neuro-Liberalismus, der die Ziele des Neo-Liberalismus mit dem Aushängeschild neurowissenschaftlicher Zertifizierung weiterführt. Weitere Paradoxe betreffen u.a. die Rolle der 1.-Person Perspektive, aber auch den Umgang mit fiktiven Realitäten und die Entfaltung von Weisheit als Fähigkeit, nachhaltig mit komplexen Problemen umzugehen. Ist die Zeit gekommen, dem Vorschlag des Dalai Lama zu folgen und Achtsamkeit als säkulare Meditation mit einer säkularen Ethik zu verbinden?

Bild der Bühne Photo: Grit Schwerdtfeger

 

Medien zum Projekt

Samstag, 1. Dezember 2018

Gert Scobel: Paradoxien der Meditation

Über Weisheit und Wissenschaft, säkulare Ethik und Fiktion
Festvortrag von Prof. Dr. Gert Scobel auf dem Kongress "Meditation und Wissenschaft" 2018 - Interdisziplinärer Kongress zur Meditations- und Bewußtseinsforschung.

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