Wie wird in Schulen über Religion geredet?

Zur ersten Phase einer Pilotstudie: "Die Thematisierung von Religion in der öffentlichen Erziehung"

Leitung: Prof. Dr. Matthias Proske, Projekt-Hilfskraft: Verena Gietler

Die Studie wurde von der Udo Keller Stiftung Forum Humanum gefördert. Dadurch konnte u.a. eine Hilfskraft eingestellt werden.

Am 3. Mai 2016 fand in der Akademie der Weltreligionen ein gemeinsamer interdisziplinärer Workshop zu diesem Forschungsprojekt statt.

Bericht über diesen Workshop (pdf)

Angesichts der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit für die Probleme des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Religionen in der deutschen Einwanderungsgesellschaft und für die daraus resultierenden Konflikte überrascht es, dass bisher noch nicht systematisch erforscht wurde, was geschieht, wenn religionsbezogene Fragen und Themen im Kontext der öffentlichen Erziehung zur Sprache gebracht werden. Wir wissen kaum etwas darüber, wie religiöse Phänomene in der Schule von ihren Mitgliedern (Schulleitungen, Lehrer/innen, Sozialpädagogen/innen und Schüler/innen) gedeutet werden. Die Studie will helfen, diese Forschungslücke zu schließen.


Der Eintritt in das Untersuchungsfeld bot zunächst Herausforderungen in Gestalt einiger praktischer Hürden. Sodann zeigte sich eine elementare Sprachlosigkeit, wenn es darum ging, unterrichts­öffentlich Aussagen zur Bedeutung von Religion zu formulieren. Dies und umfangreiche Überlegungen zum methodischen Vorgehen führten dazu, neben der teilnehmenden Beobachtung von Unterricht und Workshops hauptsächlich Expertengruppengespräche mit den schulischen Akteuren als Quelle zur Datenerhebung zu nutzen.

Die erste inhaltliche Analyse der Befunde zeigte, dass die Thematisierung von Religion vielfältig erschwert ist:

  • Im konfessionellen Unterricht entwickelt sich keine Metaperspektive, aus der heraus religiöse Phänomene von den Schülern beschrieben und bewertet werden können.

  • In konfessionell ungebundenen schulischen Kontexten wird Religion hauptsächlich unter religionspolitischen und menschenrechtlichen Fragestellungen sichtbar, eine diskursive Auseinandersetzung mit Religion selbst wird aber nicht mehr angestrebt.

  • Dem entspricht, dass für die Schülerinnen und Schüler der Unterricht kein Ort zu sein scheint, an dem sie religionsbezogene Wahrnehmungen oder Überzeugungen offensiv artikulieren. Dies ließ sich in Fallbeispielen auch darauf zurückführen, dass die nur scheinbar neutrale Aufgabe der Beobachtung von Religion gerade diejenigen Differenzkonstruktionen und Stereotypisierungen aufrufen kann, zu deren Überwindung Schule offiziell antritt.

  • Das Beispiel einer Unterrichtseinheit des islamischen Religionsunterrichtes, in der das Unterrichtsgespräch durch die ständige Reflexion auf eine imaginär anwesende gesellschaftliche Öffentlichkeit überformt wurde, zeigte, wie eng öffentlich-mediale und schulische Kommunikation über Religion verzahnt sein können und welche Resonanzräume dabei entstehen.

Schon die bisher vorgelegten Interpretationen belegen, dass sich die Grundannahme der Pilotstudie als belastbar erweist, die Schule als Forschungsobjekt für die gesellschaftliche Thematisierung von Religion zu wählen. Die dort gewonnenen Beobachtungen sind dann aber in viel größerem Umfang von Bedeutung. Weitgehend für selbstverständlich erachtete Voraussetzungen über die Bedingungen der Möglichkeit des interreligiösen Dialoges könnten sich als problematisch erweisen.