Unseld Lecture 2016

Im Jahr 2016 war Colin Crouch Gast der Unseld Lectures. Colin Crouch, geboren 1944, ist ein britischer Politikwissenschaftler und Soziologe. Er lehrte bis zu seiner Emeritierung Governance und Public Management an der Warwick Business School. Am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln ist er seit 1997 Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Wirtschaftssoziologie, den Gesellschaftsstrukturen in Europa, neoinstitutionalistischen Analysen, lokaler Wirtschaftsentwicklung und der Reform öffentlicher Dienste.

Jahresthema: Postdemokratie

Mit seinem Buch Postdemokratie (2005) prägte er einen international viel diskutierten Begriff, der Eingang in aktuelle demokratietheoretische Debatten gefunden hat und auch im politischen Feuilleton und in tagespolitischen Debatten auf Resonanz stieß. Mit dem Begriff der Postdemokratie kritisiert Crouch Funktionsdefizite traditioneller liberal-demokratischer Institutionen. Zwar erfüllt ein politisches System im Zeitalter der Postdemokratie noch die formalen Eigenschaften demokratischer Regime und ist keinesfalls mit undemokratischen Gesellschaften gleichzusetzen. Die Rechtfertigung politischen Handelns lässt sich aber nicht mehr durch die Partizipation der Bürger begründen. Die Bürger spielen in der postdemokratischen Gesellschaft nur noch eine passive und stille Rolle, ohne Möglichkeit zur Gestaltung politischer Auseinandersetzungen. Im Gegensatz dazu treten einzelne große Unternehmen als politische Akteure auf, die nicht mehr in korporative Arrangements eingebunden sind. Auch deswegen wird Politik, Crouch zufolge, zu einseitig unter den Maximen von Markt und Wettbewerb und ihrer medialen Vermittelbarkeit begriffen. Der Begriff Postdemokratie erfüllt für Crouch dennoch auch eine positive Funktion, kann die Analyse der politischen Situation doch dazu beitragen, die liberale Demokratie zu revitalisieren.


Dienstag, 21. Juni 2016, 20 Uhr c.t., Universität Tübingen, Audimax

Lecture: Die Postdemokratie nach 20 Jahren


Mittwoch, 22. Juni 2016, 20 Uhr c.t., Universität Tübingen, Audimax


INTERDISZIPLINÄRES KOLLOQUIUM 2016

"Ist die Europäische Union mit der Demokratie vereinbar?"

Prof. Dr. Fritz W. Scharpf im Gespräch mit Colin Crouch

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Fritz W. Scharpf ist Politik- und Rechtswissenschaftler. Bis 2003 war er Direktor des Kölner Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung. Gastprofessuren und Forschungsaufenthalte führten ihn in die ganze Welt, unter anderem an die Stanford University, an das Europäische Hochschulinstitut Florenz und an das Institut d'Études Politiques in Paris.

Scharpfs Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Föderalismus und der europäischen Integration sowie der politischen Ökonomie. Eine große Rolle spielen immer wieder Fragen der Legitimität. Mangelnde Legitimität hält er neben fehlender Problemlösungsfähigkeit für das größte Defizit der EU. Er entwirft deshalb Lösungsansätze für eine effektivere und demokratischere Politik innerhalb der Europäischen Union. Eine große Herausforderung liegt Scharpf zufolge darin, dass Europa bislang nicht über eine politisch belastbare, kollektive Identität verfügt. In einer solchen erkennt er jedoch eine grundlegende Voraussetzung für eine gefestigte, nachhaltige Legitimität der EU.


Montag 20. Juni - Freitag 24. Juni 2016International Interdisciplinary Summer School 2016

Post-democratic Challenges

Zwanzig Studierende und Nachwuchswissenschaftler aus aller Welt arbeiten in einem einwöchigen interdisziplinären Meisterkurs gemeinsam mit Prof. Dr. Colin Crouch zum Thema "Postdemokratie".