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Unseld Lecture 2017

Bruno Latour

Im Jahr 2017 war der französische Soziologe und Philosoph Bruno Latour, der sich im Bereich der Wissenschafts- und Technikstudien weltweit einen Namen gemacht hat, Gast der Unseld Lectures. Bruno Latour (1947) ist Direktor des médialab der Sciences Po Paris und Gastprofessor an der Cornell University in Ithaca, USA. Von 2006 bis 2015 war er Professor für Soziologie an der Sciences Po Paris und davor von 1982 bis 2006 an der Ecole nationale supérieure des mines, ebenfalls in Paris.

Schon früh hat Latour in Feldstudien verschiedene Aspekte der sozialen Konstruktion von Wissenschaft untersucht, darunter den Einfluss rhetorischer Strategien und ideologischer Überzeugungen. Seit den 1980er Jahren hat er gemeinsam mit Kollegen die Akteurs-Netzwerk-Theorie entwickelt, der zufolge Wissenschaft von einem Netzwerk beeinflusst wird, das aus Ideen und Personen sowie technischen und sozialen Faktoren besteht. Dabei kritisiert Latour die Selbstdarstellung der "Moderne", nach der moderne Gesellschaften handlungsfähig sind auf Grund einer strikten Trennung von dinglicher Natur und menschlicher Kultur. In Wirklichkeit bestimme uns eine Welt von "Quasi-Objekten", die zu beiden Bereichen gehören und wir seien insofern "nie modern gewesen", so der Titel eines seiner bekanntesten Bücher.

Jahresthema: Political Ecology

Latour greift auf das von James Lovelock in den 1970er Jahren entwickelte Gaia-Konzept zurück, versteht unter Gaia aber nicht einen singulären Organismus, sondern will mit dem Begriff auf die enge Verflechtung und wechselseitige Angewiesenheit von Mensch und Natur aufmerksam machen. Es geht ihm darum, dass wir Menschen uns nicht als überlegene Herrscher über die Natur, sondern als symbiotische Gaia-Wesen begreifen.

Auch mit Blick auf den Globalisierungsprozess diskutiert Latour das Gaia-Konzept. Die nationalen Abschottungsreflexe, die wir gegenwärtig erleben, schlagen fehl, weil uns auch im politischen Raum ein Zurück in alte Zeiten nicht möglich ist. Mit seinem Gaia-Konzept möchte Latour deshalb das Gerüst für eine künftige nachhaltige Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Politikern und Bürgern schaffen.


30. Mai 2017 20 Uhr c.t., Universität Tübingen, Audimax

LECTURE: "Facing Gaia. A European View"


31. Mai 2017 20 Uhr c.t., Universität Tübingen, Audimax

Interdisziplinäres Kolloquium: "Political Ecology and the meander of modernity"

Prof. Dr. Bruno Latour im Gespräch mit Prof. Dr. Dorothee Kimmich

Prof. Dr. Dorothee Kimmich ist Professorin für Neuere deutsche Literatur an der Universität Tübingen.  Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Literatur und Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts sowie der Literatur- und Medientheorien in der Moderne. Sie beschäftigt sich mit der Geschichte und Theorie der Kulturwissenschaften, der Funktion von Dingen in der Literatur- und Kulturgeschichte der Moderne, aber auch mit Transkulturalität, Mehrsprachigkeit und Rassismustheorie. In ihrer Arbeit hat sich Dorothee Kimmich intensiv mit Bruno Latours Arbeit auseinandergesetzt.


29. Mai bis 2. Juni 2017

Internationaler interdisziplinärer Meisterkurs 2017

Zwanzig Doktoranden und Postdoktoranden aus aller Welt arbeiteten mit Bruno Latour an der Frage, was der Begriff Gaia in Abgrenzung zu Erde und Globus bezeichnet und wie mit ihm Fragen der politischen Ökologie interdisziplinär beantwortet werden können.