DER FALL SOLA - Neueste Sendbriefe vom Dolmetschen

Premiere
einer sprachmusikalischen Performance des Liquid Penguin Ensembles für vier Instrumentalisten, Sprecherin, live-Zeichner und Chor, die - inspiriert von Luthers "Sendbrief vom Dolmetschen" - ein vergnügliches Übersetzungsspiel entwickeln.

mit Monika Bagdonaite (Viola), Julien Blondel (Violoncello), Stefan Scheib (Komposition, Kontrabass, Zuspiel), Kaori Nomura (Piano/Flügel), Katharina Bihler (Text, Stimme), Klaus Harth (live-Zeichnung) und Chorsängerinnen und -Sänger aus den jeweiligen Aufführungsstädten; Holger Stedem (Sounddesign), Ulrich Schneider (Licht/Raum) Marcus Droß (dramaturgische Beratung)

Um 1530 rollt das lateinischen Wörtchen "sola" aufs Spielfeld einer hitzigen theologischen Disputation. Um textverfälschende Bibelübersetzung geht es dabei, um unerlaubte Zusätze beim Übertragen von Gottes Wort ins Deutsche. Von solchem Wörterzählen hält Doktor L. allerdings nichts. Ob es ein "allein" mehr oder ein "sola" weniger sein soll, hängt einzig davon ab, wodurch man den Sinn des Gesagten am besten trifft.

Martin Luther hat vor 500 Jahren die Bibel in verständliche deutsche Sprache übersetzt. Interpretation war dazu notwendig - die immer auch falsch liegen kann - und ein großer Vorrat an neuen Wörtern für Dinge und Zusammenhänge, die das Deutsche zuvor noch nicht hat ausdrücken können. Luthers Erfindungsreichtum hat uns den "Rotzlöffel" und die "Herzenslust" beschert, wir verdanken ihm gar die "Dachrinne", können sie "wetterwendisch" nennen und darüber nachsinnen, weshalb sie mit "Feuereifer" ihre "holdseligen" "Tränen" vergeudet.

Das Liquid Penguin Ensemble hat seine Performance anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 entwickelt und schlägt darin den Bogen von der Zeit der Renaissance bis in die vielsprachige europäische Gegenwart: vier Musikerinnen und Musiker, eine Sprecherin, ein live-Zeichner und ein Chor bedienen sich des klimpernden Wortschatzes fremder Sprachen und verdolmetschen ihn klangvoll und bildreich in eigene Ausdrucksweisen. Musizieren das finnische Idiom. Bringen polnische Zischlaute ins Versmaß. Heben als musikalisch agierende Dolmetscherwerkstatt an zum vielstimmigen Konzert. Entdecken verborgene Beziehungen zwischen Zeichen, Klängen und Worten. Übersetzen einander gegenseitig. Erzählen von randvollen Herzen und verschlossenen Mündern. Von Fährfrauen auf europäischen Flüssen. Von grenzüberschreitenden Backwaren. Vom fremden König, der übers Meer kommt, mit nichts als einem Wort als einziger, stolzer Habe. Vom Alleinsein ganz am Anfang und ganz am Ende. Vom Alleinsein ohne Sprache. Vom Verstummen im Angesicht des Nordlichts.


gefördert von der Udo Keller Stiftung Forum Humanum